Adam Pawlowski: „Bist du auch Gaming-Müde?“

In diesem Beitrag setze ich mich mit dem mir persönlich wichtigen Thema Spielspaß und Gaming-Müdigkeit auseinander. Was machen wir, wenn wir die Motivation am Zocken verloren haben und was können die Gründe dafür sein?

Ich bin es satt

Wann habt ihr zuletzt ein Spiel so richtig genossen? Ich meine, dass ihr so richtig in das Spiel eingetaucht seid und nicht mehr davon weggekommen seid. Ich persönlich kann mich kaum erinnern, wann es das letzte Mal für mich war. Es müsste zum Release von World of Warcraft oder Guild Wars 2 gewesen sein und doch ist es ausnahmsweise seit langem jetzt wieder mit Valheim passiert. Bis auf diese Ausnahme finde ich kaum wirklich in ein Spiel hinein.

Ja, es gibt Spiele, die ich über einen längeren Zeitraum spiele (The Elder Scrolls Online, Cyberpunk 2077) und die mir auch „Spaß“ machen, aber die meisten Spiele, die ich anspiele, schaffen es bei mir kaum über die 90 Minuten Spielzeit. Ich empfinde einfach ein Gefühl der Ermüdung, wenn ich zwei Stunden lang belanglosen virtuellen Aufgaben hinterhereilen muss, bloß warum?

Ja, zwischendurch hatte ich sogar Phasen der Erkenntnis, dass ich vielleicht doch aus Spielen herausgewachsen bin, denn ich schaffe es mittlerweile selten, mich wirklich für ein Spiel zu begeistern. Doch woran liegt das und wie kann ich den Spaß an Spielen wiederfinden? Dieser Frage und der Frage nach Abhilfe stellen wir uns heute.

Lebensumstände

Kommen wir erstmal zum Offensichtlichen. Kommen wir zum „mimimi“-Teil. Ich bin keine 16 mehr. Mit 35 zähle ich eben schon zur älteren Garde der Gamer. Sobald man älter wird, muss man sich mit vielen Dingen beschäftigen, die in der Jugend einfach kein Thema waren. Arztrechnungen bezahlen, Reparaturen am Haus vornehmen, Zeit mit der Familie verbringen, einem Vollzeit-Job nachgehen, Steuererklärung machen und vieles mehr.

Der Tag fordert mich einfach mit vielen Dingen, die eine höhere Priorität haben, als vergnügtes Zocken. Wenn dann abends endlich Zeit zum Spielen ist, verfliegt häufig einfach die Kraft, um sich dann noch einmal in fremde Welten zu bewegen. Ich muss mich regelrecht dazu zwingen, die Maus und die Tastatur oder den Controller doch in die Hand zu nehmen. Ich muss mich zum Spielspaß zwingen, was einfach keine gute Basis ist.

Als Jugendlicher hat man mehr Zeit, um unbeschwert die Schultasche nach der Schule in die Ecke zu „ballern“ und in das Spiel einzutauchen. Dies geht raus an meine jüngeren Leser: Genießt diese Zeit.

Spielen mit Freunden

Dieser Punkt wurde mir durch eine kürzliche Spielerfahrung in Valheim wieder klar. Mein Bruder und ich waren drauf und dran den zweiten Boss zu erledigen, ein riesiges Baum-Monster, welches uns wirklich forderte und nicht nur einmal ins Gras beißen ließ. Diese Spielerfahrung war so intensiv, sodass wir bis mitten in die Nacht im Spiel verbrachten. Es war Donnerstag und am folgenden Tag mussten wir beide früh raus. Aber es war okay!

Fazit: Es ist schöner Dinge gemeinsam zu erleben, als alleine. Bekräftigt durch den ersten Punkt, kommt es bei mir immer seltener vor, dass ich mit Freunden Zeit in einem Spiel verbringen kann. Jeder hat seine eigenen Prioritäten und Aufgaben, sodass man sich seltener zum gemeinsamen Zocken trifft.

Nostalgie und Retromanie

Früher war alles besser. Früher hatte ich mehr Spaß. Diese Gedanken lassen mich Trottel immer wieder ein Abonnement in World of Warcraft abschließen. Ich jage dem vergangenen Gefühl des World of Warcraft nach, wie ich es in Erinnerung habe. Doch dieses Gefühl kommt nie wieder, und rein psychologisch ist es auch nicht möglich dieses Gefühl wieder zu erleben. Ich spreche von Nostalgie und Retromanie.

Zwei eng verwandte Begriffe, die uns immer wieder die Vergangenheit im positiven Licht erscheinen lassen. Wenn wir der Meinung sind, dass Spiele uns nicht mehr so viel Spaß machen, liegt es vielleicht nur daran, dass wir nostalgisch sind und lediglich davon überzeugt sind, früher mehr Spaß gehabt zu haben. Mit aktuellen Gefühlen lässt sich eben nie das sentimentale Gefühl der Nostalgie empfinden. Akzeptiert diese Tatsache und setzt euch nicht unter Druck ein Maß an Spielspaß zu erreichen, welches nur in eurer Erinnerung steckt.

Shiny Object Syndrome

Einen Beitrag zu unserer Unlust wird mit Sicherheit auch der Überfluss an Spielen, denen wir ausgesetzt sind, beitragen. Ich möchte hier kein Blaming in Richtung Steam-Sale und kostenlosen EPIC-Games betreiben, aber durch die schiere Auswahl an einfach zu bekommenden Spielen sind wir Menschen schlichtweg überfordert. Kaum haben wir etwas Neues in unserer Spiele-Bibliothek, kommt schon wieder das neue Spiel um die Ecke. Sei es ein Schnäppchen aus den besagten Stores oder eben eine komplette Neuerscheinung, die unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Unser Pile of Shame wächst.

Durch das sogenannte „Shiny Object Syndrome“ sehen wir nur glitzernde Diamanten, denen wir wie ein Kind Impulsgetrieben hinterherlaufen. Kaum hat es sich ein Spiel in unserer Bibliothek gemütlich gemacht, wird es langweilig. Nicht weil es schlecht ist, aber weil wir immer das wollen, was wir nicht haben. Dadurch entsteht ein Dilemma, in dem wir einem Spiel nicht mehr die nötige Zeit geben, um sich tatsächlich zu entfalten. Doch genau das ist so wichtig bei einer Spielerfahrung. Wir müssen genügend Zeit in einem Spiel verbringen, um dort eintauchen zu können und um es tatsächlich richtig zu durchdringen. Durch das „Shiny Object Syndrome“ verwehren wir unseren Spielen genau diese Chance. Schade!

Wir müssen also den Weg zu einer Auswahl weniger Games wieder finden und erst dann ein neues Spiel anfangen, sobald wir das Alte ausreichend „bespielt“ haben.

Die Art der Spiele, die ich mag, hat sich geändert

Ich erinnere mich an Hitman 1. Also nicht das Remake, sondern das echte erste Hitman Spiel. Ich habe es gefeiert, mich an die Zielperson anzuschleichen und abzumurksen. Das ist 15 Jahre her. Leider muss ich sagen, dass ich mit den aktuellen Hitman Spielen nichts mehr anfangen kann. Nicht weil das Gameplay doof ist oder weil mir andere Dinge nicht gefallen, sondern weil ich mich einfach nicht mehr mit solch einem Spiel identifizieren kann. Mir persönlich missfällt der Gedanke einen virtuell geplanten Mord durchzuführen. Das mag boomerhaft klingen, aber ich habe mich verändert.

Man sagt, dass sich beim Essen der Geschmack alle sieben Jahre verändert. Ich nehme an, dass dies auch teilweise auf Computerspiele zutrifft. Wir entwickeln uns als Menschen weiter und verändern uns. Was uns damals gefallen hat, muss uns heute nicht mehr Spaß machen. Wenn ihr also immer noch Hitman 2020 spielt und nicht wisst, wieso ihr keinen Spaß empfindet, solltet ihr in Erwägung ziehen, das Genre zu wechseln. Wer weiß, vielleicht entdeckt ihr spaßige Dinge, von denen ihr noch nichts wusstet.

Kein Flow State als Streamer

Dieser Punkt ist als Bonus für die Streamer da draußen zu lesen.

Der Flow State ist ein psychischer Gemütszustand, in den man gerät, wenn man Dinge macht, in denen man völlig aufgeht. Man ist nicht zu wenig und nicht zu stark gefordert. Die Tätigkeit zieht uns so in den Bann, sodass wir ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit empfinden und die Welt um uns herum völlig ausblenden können. Ein gutes Spiel schafft es, uns in genau diesen Zustand zu transportieren. Wir können dadurch völlige Immersion empfinden. Das macht Spaß.

Wir können jedoch nur in den Flow State geraten, wenn wir uns vollkommen auf unsere Tätigkeit fokussieren können. Wenn man sein Gameplay jedoch streamt, kommt der Fokus auf das Spiel häufig zu kurz. Als Streamer muss man sich eben auf einiges mehr Konzentrieren, als nur auf das Spiel. Man möchte den Chat im Auge behalten, man möchte auf den Chat eingehen, das Geschehene möglichst unterhaltsam kommentieren und der Blick auf die Technik darf auch nicht verloren gehen. Da gehen dem Streamer viele Dinge gleichzeitig durch den Kopf. Nicht selten habe ich bei mir bemerkt, dass ich Schwierigkeiten damit habe, dem Plot des Spiels zu folgen, wenn ich meine Aufmerksamkeit diesen Dingen gleichzeitig widmen muss. Hierdurch kann der Spaß am Spiel leiden. Um fair zu bleiben, entsteht aber der Spaß an einer anderen Ecke, nämlich genau in der Interaktion mit den Zuschauern. <3

Hin und wieder kann es aber schön sein, alles stehen und liegen zu lassen und sich ohne Stream vollkommen auf ein Spiel einzulassen.

Wrap-Up

Es ist okay auch mal keinen Spaß an Computerspielen zu haben. Es gibt so viele tolle Dinge im Leben, die man alternativ machen kann. Wer aber seinen Spaß an Games wiederfinden möchte, dem haben meine Gedanken hoffentlich etwas helfen können.

Wie sieht es bei euch aus, könnt ihr euch in dem einen oder anderen Punkt wiederfinden?
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Findet ihr euch in Adams Gedanken wieder?x

Im Video: Bist DU auch GAMING-MÜDE?

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Adam Pawlowski
Adam Pawlowskihttps://www.gaming-grounds.de/
Adam 'PAWL' Pawlowski (geboren 1985) ist sozusagen ein Veteran in der Gaming-Landschaft. Nicht nur als Gamer seit 1997, sondern auch als Entwickler konnte er an beruflichen Stationen bei Größen wie Electronic Arts und Ubisoft Erfahrungen sammeln. Dort war er an der Entwicklung von bekannten Titeln wie beispielsweise "Command & Conquer: Tiberian Alliances" und "Might & Magic: Heroes" beteiligt. Seit einigen Jahren ist Adam primär als Team-Coach bei der Deutschen Telekom unterwegs und hilft Teams und Einzelpersonen dabei, unentdeckte Potentiale zu ergründen und diese auch zu verfolgen. Sein Know-How aus der Games-Branche kombiniert mit jeder Menge Coaching Expertise stellt den Fokus seiner Leidenschaft dar, die er auf YouTube, Twitch und nun auch hier auf Gaming-Grounds.de teilt.
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