Angespielt: Ancestors – Odyssee im Dschungel

Am gestrigen Dienstag, 27. August, ist  mit Ancestors: The Humankind Odyssey das neueste Spiel aus der Feder von Spieleentwickler Patrice Désilets erschienen. Dieser ist bekannt als Ubisoft Creative Director von Assassin’s Creed und Prince of Persia: The Sands of Time. Als Gründer von Panache Digital Games brachte er mit Ancestors nun das Debutspiel seines kanadischen Entwicklerteams auf den Markt.

Ancestors: The Humankind Odyssey ist ein Third-Person Survival Spiel. Gesteuert wird jeweils ein Mitglied eines Stammes von Primaten in der Urzeit, 10 Millionen Jahre zurück. Aufgabe ist es, den eigenen Stamm überleben zu lassen und die Evolution voranzutreiben. Das Setting und die Idee versprechen viel, Ancestors versucht dabei, sich auf das Wesentliche zu reduzieren und lässt die Spieler die Umwelt durch Urinstinkte wie Riechen, Sehen und die eigene Intelligenz erkunden.

Gaming-Grounds.de hat Ancestors angespielt. Unsere ersten Erfahrungen lest ihr hier.

Ärger im Dschungel

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Seid ihr bereit für den Dschungel?

Das Spiel startet spannend: In einer Dschungelszene sehen wir verschiedene Tiere, die vom Jäger zum Gejagten werden. Nach einer wilden Hetzjagd zwischen Aligatoren, Raubkatzen und Schlangen sehen wir eine Affenmutti mit ihrem Kind. Dann kommt ein riesiger Raubvogel angeflogen. Oh nein, doch bitte nicht das Affenbaby, das sich ängstlich um Mamas Hals klammert! Zack, der Räuber schlägt zu, allerdings schnappt er sich den größeren Affen – der verspricht wohl bessere Beute – und das Affenkind purzelt verloren und traurig in die Tiefe, mitten in den Dschungel.

Das rettende Grün allerdings ist nicht viel sicherer, wie man schnell feststellt. Das Spiel lässt uns zunächst den kleinen Überlebenden spielen. Wir wachen auf und befinden uns in einer grauen Welt der Angst. Nebelschwaden ziehen zwischen den Bäumen umher und verschleiern uns die Sicht. Gruselige Raubtiergesichter huschen illusorisch in unsere Richtung, die Soundkulisse ist einschüchternd – überall um uns herum lauert der sichere Tod. Okay, wir verstehen schnell: So muss sich das Affenbaby nach dem traumatischen Verlust der Mutter in der fremden Umgebung wohl fühlen.

Auto-Save only

Doch ein Schritt zurück. Nach dem Start von Ancestors müssen die Spieler erstmal einen Stamm anlegen. Es gibt genau 5 Slots, in denen man seinen Spielstand speichern kann. Das ist allerdings noch viel weniger flexibel, als es klingt. Der Spieler hat wenig Einfluss auf das sichern seines Spielfortschritts, das übernimmt das Spiel an bestimmten Stellen automatisch. Nachdem man einen erhabenen Namen für seinen ersten Stamm gefunden hat (nicht zu kreativ sein, der bleibt eh nicht lang am Leben), sucht man sich noch seinen gewünschten Schwierigkeitsgrad aus – möchte man viel oder wenig Tipps. Das ist im Nachhinein betrachtet ein wenig lustig, denn auch in der ersten Stufe für Anfänger, bekommt ihr kaum etwas als Hilfe an die Hand.

Die erste Stunde

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Grusel-Hallus begrenzen die Spielwelt.

Zurück zum Affenbaby. In beängstigender Umgebung greift das Spiel sofort mit ein paar Hinweisen ein. „So kannst du riechen, so schmecken, so denkt man nach, ach: Begib dich bitte zu deinem Stamm zurück.“ Unser erster Auftrag! Der vielen Gefahren bewusst, die um jeder Ecke lauern,, begeben wir uns also auf die Suche. Ein ausführliches HUD oder eine Mini-Map sucht man vergebens. Dafür lassen sich verschiedene Spuren dauerhaft als Marker definieren. Unsere Neugier ist geweckt.

Wir tapsen also durch den Dschungel, staunen über die hohen Bäume und wollen sogleich, noch völlig orientierungslos, einen der rettenden Stämme besteigen. Das klappt prima, der kleine Affe klebt quasi wie ein Magnet sofort an allem, was eine Oberfläche hat. Das fühlt sich zunächst super an, doch nach kurzer Spielzeit stößt man schon auf Limitierungen. Diese sind allerdings nicht durch Felsvorsprünge oder steile Wände geprägt, vielmehr bleibt man einfach etwas unbeholfen an der Geometrie hängen. Alles wirkt etwas hakelig.

Nachdem wir aber unseren ersten Baum bestiegen haben, eine weitere Enttäuschung: Wie Tarzan von Ast zu Ast schwingen, ist nicht wirklich möglich. Die Bäume reichen zwar sehr verästelt nach oben und lassen sich wirklich bis in die Spitze besteigen, Nachbargewächse lassen sich aber einfach viel zu selten durch Sprünge erreichen. So kann der erklommene Baum nur ein kurzes Gefühl der Sicherheit vermitteln. Wir klettern also wieder herab – oh, ein Sturz! Gefühlt 100 Meter tief sausen wir erneut in die Tiefen des tödlichen Grüns. Es klatscht. Aber zum Glück: Dem Affen geht es gut (warum eigentlich?).

Das Projekt Klettern legen wir vorerst auf Eis und versuchen mit unseren Sinnen die Umwelt zu scannen. Doch sehen wir buchstäblich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Es folgt eine knapp halbstündige „Odyssey“ ohne Sinn und Verstand. Wo muss ich hin, was ist hier eigentlich los? Die ganze Zeit dröhnt die immer noch anhaltende „beängstigende Atmosphäre“ aus Schreien und Gruselfratzen auf uns ein – langsam ein wenig nervig. Nachdem wir in unserem ersten Durchlauf schon beinahe aufgeben wollten, weil wir die nahen Geräusche der gleichgesinnten Affen einfach nicht aufspüren konnten, plumpsen wir mehr durch Zufall und ein wenig verwundert mitten in eine Zwischensequenz. Das Affenbaby findet zurück zu seinem Stamm. Dieser haust offensichtlich an einem Wasserlauf in einer Höhle, spärlich von Blättern geschützt. Wir sind da wohl durch Zufall reingefallen. Endlich hören die Wahnvorstellungen auf, die nur graue Welt weicht einem grün-grauen Dschungel. Bis dato hat uns nichts gefressen – das macht Mut. Also doch gar nicht so gefährlich für den Anfang.

Ancestors Bilder

Urzeit-Simulation mit Hindernissen

Das minutiöse weitere Spielerlebnis ersparen wir euch an dieser Stelle erstmal. Im weiteren Verlauf geht es darum tägliche Erkundungstouren zu machen, dafür kann man in die Rolle eines anderen Tieres schlüpfen. Jeder Angehörige des Stammes hat ein paar eigene Eckdaten, grundsätzlich gibt es aber nur 3 Typen von Primaten: Baby, Erwachsen, Greis. Auf den Entdeckertouren müssen neue Nahrungsquellen aufgespürt und die Gegend erkundet werden. Der gruselige Fog of War (Raubtier-Fratzen) weicht mit zunehmenden Entwicklungsstand. Jedes Mal wenn neue Dinge dem eigenen Hirnstamm durch betasten hinzugefügt wurden, steigt eure Erfahrung. Diese wird über ein Neuronensystem dargestellt, einem Charakterbaum, den man nach und nach ausbauen kann.

Im Verlauf des Spieles trifft man auf sehr viele Gefahren. Um diese zu überwinden, können Gegenstände erstellt werden. Dafür müssen verschiedene Dinge kombiniert oder entdeckt werden. Sowohl das Crafting-System als auch das Erkunden wirken sehr natürlich. Nach und nach kann der Stamm so zu einem besseren Selbst finden. Dabei muss man stets für Nachschub sorgen, Affenrücken rubbeln, Nachrung finden, entdecken, schlafen, etc. – interessant ist dabei das strategische Management des eigenen Stammes. Anders als in anderen Survival-Games müsst ihr eure ganze Gruppe im Blick haben und auch für Abwechslung sorgen: Es sollten weder Weibchen noch Babys ausgehen (die macht man durch Rückenrubbeln). Doch nehmt euch vor den wilden Tieren in Acht und vor giftigen Pflanzen!

Ancestors geht relativ brutal mit den Spielern um. Wird ein Tier angefriffen oder ist auf euch scharf, wechselt das Spiel in eine Art Bullet Time Modus, hier müssen schnell die richtigen Tasten gefunden werden, sonst war’s das. Besser man setzt sich später mit einer Waffe zur Wehr…

Geht es dem Stamm einmal an den Kragen, dann ist das Spiel aus. Alles ist weg: Der geliebte Stamm und sämtliche darin gespeicherten Fortschritte. Nun müsst ihr nochmal zum Anfang spulen und fangt ganz von vorne an. Alles muss neu gelernt und erkundet werden. Das ist zuweilen sehr frustrierend, gerade wenn man bedenkt, wie schnell man in diesem Spiel den Tod finden kann.

Trailer zu Ancestors

(Vorab)Fazit

Wir haben Ancestors noch nicht lang gespielt, vielleicht erschließt sich die Genialität erst mit der Zeit. Das unbarmherzige Gamedesign und der Spieler bestrafende Permadeath sind aber sicherlich eher eine Herausforderung für geduldige Spieler mit Zeit. Viel Spaß kam bei unserem ersten Versuch leider nicht auf. Zu oft bleibt man hängen, hat Probleme mit der Steuerung, weiß nicht wie es weitergeht oder man findet einfach einen fürchterlichen Tod ohne Wiederkehr.

Patrice Désilets sprach im Interview von einem großen Spielplatz, in dem sich die Spieler austoben sollen und ihr eigenes Spielerlebnis kreieren können sollen. Dafür ist uns das Bewegungssystem aber zu sperrig, die Umgebung zu eintönig und vor allem die Möglichkeiten zu eingeschränkt. Auch wirkt der Dschungel irgendwie unbelebt. Bedenkt man, dass das Leben im Dschungel der Fokus von Ancestors sein soll, hat man sogar in manch einem reinen Ballerspiel bereits wesentlich schönere Darstellungen gesehen. Die Umgebung ist okay, aber ein richtiger Augenöffner ist die Grafik von Ancestors nicht. Zwar sind die Tiere allesamt detailliert designt und animiert, irgendwie fällt es aber schwer eine wirkliche Sympathie, gerade zu seinem Stamm, aufzubauen.

Wiederholende Spielelemente sorgen eher für Frust und auch wenn Ancestors ein paar neue und interessante Ansätze hat (wie das Neuronensystem), es ist in seiner aktuellen Version kein Spiel, in das wir wirklich viel Zeit investieren wollen. Das ist eigentlich schade, wir wollten das Game mögen, aber der Funke springt einfach nicht über.

Mehr zu Ancestors:

Ancestors: The Humankind Odyssey erschienen

Ancestors: Affenmenschen springen durch den Wald

Auch interessant:
Alexander Panknin
Alexander Pankninhttps://www.gaming-grounds.de/
1985 geboren. Mit Doom, Quake und SNES aufgewachsen. War selbst in der Indiegames-Szene aktiv und schreibt nun auf gaming-grounds.de über seine große Leidenschaft: Videospiele.
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