Elo und E-Sport: Was nicht passt, wird passend gemacht?

Am heutigen Samstag nimmt sich unsere freier Autor Timo Schöber dem Prinzip und der Herkunft der „Elo“ an und erklärt, warum diese im E-Sport regelmäßig falsch verwendet und verstanden wird. In der folgenden Kolumne beschreibt er nicht nur die eigentliche Bedeutung, sondern auch seinen Ärger über das Missverständnis und zeigt Alternativen auf.


Als passionierter Schach- und Tabletopspieler bin ich immer sehr irritiert, wenn E-Sportler und auch „einfache Gamer“ von ihrer „Elo“ sprechen, wenn sie etwa ihrer Eingruppierung in einer spielinternen Liga meinen.

„Suche Mitspieler, am besten mit Gold- oder Platin-Elo“ liest man bei Spielersuchen zum Beispiel regelmäßig. Warum derartige Aussagen unzulässig sind, möchte ich im Folgenden kurz darlegen, weil mich diese falsch genutzte Verwendung des Begriffs „Elo“ schon seit Längerem stört.

Die Elozahl und was sich dahinter verbirgt

Das Konzept der Elozahl stammt vom ungarisch-US-amerikanischen Physiker Arpad Elo, der sich zu deren Entwicklung bei den Ideen verschiedener Denker bedient hat. Ziel war ein objektives und präzises Wertungssystem im Bereich des Schachsports.

Es erfolgte eine Adaption des Konzepts auf andere Spiele und Sportarten, weil die Elozahl ein hervorragendes Instrument zur Ermittlung der Spielstärke einer Person – und dem daraus resultierenden Erwartungswert hinsichtlich des Spielergebnisses einer Partie der Person gegen eine andere Person – ist.

Die Elozahl im E-Sport

Einige Videospiele bedienen sich der Elozahl, wenn es um die Zuweisung von Spielern zu einer bestimmten Liga und dem zugrunde liegenden Matchmaking Rating (MMR) geht. Dabei verwenden die meisten Publisher allerdings nicht die Elozahl in Reinform, sondern Abwandlungen, die teilweise durch Hinzunahme zusätzlicher Parameter zur Ermittlung von Spielstärken verwässert worden sind.

Daraus resultierend ergeben sich mehrere Fehlerquellen, wenn E-Sportler und Gamer von „Elo“ sprechen:

1. Die Zuordnung einer Person zu einer Division, Ligen, etc. ist keine Elo. Es gibt keine „Goldelo“ oder „Platinelo“, sondern eine „Golddivision“ oder „Platinliga“, je nachdem, wie das jeweilige Videospiel dies bezeichnet.

2. Das Matchmaking Rating (MMR), teilweise auch unter anderen Begriffen bekannt, ist in den allermeisten Fällen keine reine Elozahl.

3. Die Elozahl ermittelt die individuelle Spielstärke eines Einzelspielers, auslegt auf Wettbewerbe / Spiele, die im 1-gegen-1 ausgetragen werden. Die meisten E-Sport Titel sind allerdings Teamspiele.

Elo und E-Sport: Eine Pseudo-Partnerschaft

Der vorstehend genannte Punkt 3 macht deutlich, dass die Elozahl bei fast allen E-Sport Titeln nicht oder nur sehr eingeschränkt funktionieren würde, selbst, wenn sich Publisher dieser in Reinform bedienten.

Hierzu ein Beispiel:

In einer Grundgesamtheit von 1.000 Spielern, die sich gerade in einer Warteschlange für ein Spiel in einer spielinternen Liga befinden, sind ungleich verteilt Spieler aus verschiedenen Divisionen. Je höher eine Division, desto weniger Spieler. Das entspricht der praktischen Verteilung bei den wichtigsten E-Sport Titeln. Für das Beispiel wird angenommen: 400 Bronze, 300 Silber, 200 Gold, 60 Platin, 30 Diamant, 8 Master und 2 Grandmaster. Spieler im Bereich Bronze haben im Mittel ein MMR von 1000, Spieler in Silber von 1200, Gold von 1500, Platin von 2000, Diamant von 2400, Master von 2800 und Grandmaster von 3000.

Nun kommt hinzu, dass bestimmte Positionen bei etwa einem MOBA beliebter sind, als andere. Es handelt sich also nicht um eine gleichverteilte Suche je Position, sondern um Verschiebungen. Denn ein Master-Spieler mag als Jungler auf diesem Niveau spielen, auf der Toplane wiederum ist er eventuell nur auf Platin-Niveau.

Als Folge dieser Problematik bilden viele Videospiele bei der Suche ein Gruppen-MMR, allerdings ohne dies Mittels Prozentwerten zu gewichten. Im „higher ranked“-Bereich spielen so eventuell 1 Gold-, 2 Platin-, 1 Diamant- und 1 Master-Spieler zusammen (Stichprobe 1, mittleres MMR von 2140), während auf der Gegenseite 1 Platin- und 4 Diamant-Spieler ein Team bilden (Stichprobe 2, mittleres MMR von 2320).

Derartige Gruppen-MMR-Unterschiede sind eher die Regel als die Ausnahme. Darüber hinaus werden durch das simple Ziehen des arithmetischen Mittels Spieler zusammengewürfelt, die häufig im Skilllevel sehr weiter auseinander liegen, während andere Teams vergleichsweise homogen agieren können.

Richtiger wäre es, wenn man das MMR anhand eines geometrischen Mittels gewichten würde, wenn man die Spielstärke einer Gruppe ermitteln möchte, um Ausreißer nach oben und unten abzufedern.

Fazit

In der Theorie wird im E-Sport zumeist keine reine, sondern eine abgeschwächte Version der Elozahl zugrunde gelegt. In der Praxis wird diese in Teamspielen durch ein Ziehen des arithmetischen Mittels bei Gruppen in ihrer eigentlichen Mechanik noch weiter abgeschwächt.

Für mich, der irgendwie aus beiden Welten kommt (Schach/Tabletops und E-Sport) ist dies einerseits eine indirekte Abwertung der Elozahl und des Eloprinzips insgesamt, andererseits die gleichzeitige Überhöhung von MMR-Systemen einiger Videospiele. Eine Division oder Liga „Elo“ zu nennen ist darüber hinaus vollkommener Nonsens – das muss mal so deutlich gesagt werden.

Auch interessant:
Timo Schöber
Timo Schöberhttp://www.timoschoeber.com/
Timo Schöber ist Autor, Wissenschaftler und Hochschuldozent. Er ist Leiter der Denkfabrik Esportionary sowie als Berater unter anderem für Skillshot Consulting tätig. Er engagiert sich ehrenamtlich für den eSports Nord e.V.
- Werbung -spot_img

Letzte Artikel:

Besonders beliebt:

- Werbung -spot_img
StartArtikelElo und E-Sport: Was nicht passt, wird passend gemacht?
Cookie Consent mit Real Cookie Banner