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Nachdem sich am heutigen Sonntag, 13. Oktober 2019, bereits unser freier Autor Timo Schöber in einer persönlichen Stellungnahme gegen den Umgang der Politik mit dem kürzlich verübten Anschlag eines rechtsextrem und antisemitisch orientierten Täters geäußert hat, der in dieser Woche in Halle zwei Menschen erschoss, berichten wir nun ebenfalls über die Statements der Branchenverbände eSport-Bund Deutschland (ESBD) und game – Verband der deutschen Games-Branche, die ebenfalls deutliche Kritik zu vermelden haben.
Hintergrund
Der Hintergrund: Am vergangenen Mittwoch, 9. Oktober 2019, hat in Halle (Saale) ein bewaffneter Täter zwei Menschen erschossen und versucht in eine Synagoge einzudringen. Nach übereinstimmenden Medienberichten war er bereits im Vorfeld als potenziell gewaltbereiter Rechtsextremist bekannt. Im Internet habe er Manifest ähnliche Schriften veröffentlicht, die ihn eindeutig als Antisemit und Ausländerfeind identifizieren. Waffen als auch Sprengsätze habe er in der Wohnung seiner Mutter gebaut, bei der er lebt. Seine grausame Gewalttat hat der Täter im Internet live gestreamt. Zudem habe er auch Videospiele konsumiert.
Vor diesem Hintergrund äußerte nun Innenminister und CSU Anhänger Horst Seehofer, dass man die „Gamer-Szene stärker in den Blick nehmen“ müsse. Vieler der potenziellen Täter solcher Gewaltakte kämen „aus der Gamer-Szene“, sagte er gegenüber des ARD Hauptstadtstudios. Manche würden sich „Simulationen“ geradezu zum Vorbild nehmen, so der Innenminister weiter. Demnach müsse man genau beobachten, ob es noch ein Computerspiel ist, eine Simulation oder „eine verdeckte Planung für einen Anschlag“, führt Seehofer weiter aus.
"Wir müssen die Gamer-Szene stärker in den Blick nehmen", sagt Innenminister #Seehofer nach dem Anschlag in #Halle. Rechtsextremismus im Netz und wie gut die Sicherheitsbehörden dagegen vorgehen können, ist Thema im #BerichtausBerlin 👉 So, ab 18.30 Uhr @DasErste & im Livestream pic.twitter.com/wHcHWJNDon
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) October 12, 2019
game und ESBD beziehen Stellung
Damit lenkt die Politik das Augenmerk bewusst erneut in Richtung der Computerspieler und stellt diese unter einen Generalverdacht. Komplexe Zusammenhänge und andere Faktoren in Anbetracht des Täter-Hintergrundes werden teils als nebensächlich abgetan. Radikalisierung, Zugang zu Schusswaffen als auch die Häufung rechtsextremer Gewalttaten stehen anscheinend in der Relevanz und Gewichtung unter Computerspielen.
Nun haben sich auch die beiden größten deutschen Gaming-Branchenverbände ESBD und game zur Umgangsform der Politik in diesem konkreten Fall geäußert.
game – Verband der deutschen Games-Branche:
Der game – Verband der deutschen Games-Branche kritisiert die Aussagen von Bundesinnenminister Horst Seehofer und einiger weiterer Politikerinnen und Politiker im Nachgang des rechtsextremen Anschlags auf eine Synagoge in Halle, die Games-Community künftig stärker in den Fokus nehmen zu wollen.
Felix Falk, Geschäftsführer des game:
„Die Games-Community unter einen Generalverdacht zu stellen, zeugt vor allem von Unkenntnis und Hilflosigkeit und lenkt von den wirklichen gesellschaftlichen und politischen Ursachen für solche Taten ab. Games sind längst zu einem festen Bestandteil des Alltags Millionen Deutscher geworden, fast jeder zweite hierzulande spielt. Eigentlich müsste jedem längst klar sein: So wenig wie man Filme oder Bücher für Hass und Gewalt verantwortlich machen kann, so wenig sind Games und ihre Community hierfür die Ursache. Stattdessen haben wir in Deutschland ein beängstigendes Problem mit Rechtsextremismus. Der Bundesinnenminister sollte nicht hilflos einem Medium und dessen Community die Schuld geben, sondern aktiv die gesellschaftlichen Probleme der Radikalisierung und zunehmenden Fremdenfeindlichkeit angehen, die zu solchen furchtbaren Taten wie in Halle führen.“
eSport-Bund Deutschland (ESBD):
„Nach der rechten Terrortat von Halle fordert Innenminister Seehofer im Bericht aus Berlin eine Überwachung der „Gamer-Szene“. Diesen Generalverdacht für Millionen von Spielern in Deutschland lehnen wir ab. Wir müssen in diesen Tagen als demokratische Gesellschaft zusammenstehen und dürfen uns nicht durch solche Unterstellungen spalten lassen.
Der Terrorakt von Halle hatte offensichtlich eine antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Motivation. Der mutmaßliche Täter missbrauchte dabei verschiedene popkulturelle Elemente und Technologien für seine Morde. Videospiele und ihre Spielerinnen und Spieler für die Tat verantwortlich zu machen, lenkt von den sozialen und politischen Ursachen solcher Taten ab. Eine verantwortungsvolle Innenpolitik sollte stärker gegen rechtsterroristische Netzwerke, gesellschaftliche Radikalisierung und ihre geistigen Brandstifter vorgehen“, schreibt der Verband auf der eigenen Facebook-Präsenz.
Hans Jagnow, Präsident des eSport-Bund Deutschland, kommentiert weiterhin:
„Fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung spielt Videospiele, als Freizeitvergnügen oder im friedlichen Wettstreit. Wenn Innenminister Seehofer jetzt eine stärkere Überwachung von Gamerinnen und Gamern fordert, stellt er damit Millionen von Menschen unter Generalverdacht. Das lehnen wir konsequent ab und erwarten eine sachgerechten Positionierung durch den auch für eSport zuständigen Minister. Gerade in diesen Zeiten müssen wir als demokratische Gesellschaft zusammenstehen und uns entschieden gegen den rechten Terror aussprechen, anstatt uns mit solchen Unterstellungen spalten zu lassen.
Der Terrorakt von Halle hatte offensichtlich eine antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Motivation. Der mutmaßliche Täter missbrauchte dabei verschiedene popkulturelle Elemente und Technologien für seine Morde. Videospiele und ihre Spielerinnen und Spieler für die Tat verantwortlich zu machen, lenkt von den sozialen und politischen Ursachen solcher Taten ab. Eine verantwortungsvolle Innenpolitik sollte stärker gegen rechtsterroristische Netzwerke, gesellschaftliche Radikalisierung und ihre geistigen Brandstifter vorgehen.“
Timo Schöber: Die Gaming-Szene als Sündenbock – Wieder einmal