Intrinsische Motivation: Breiten-E-Sport und Nutzen für Unternehmen

Unternehmensberater und Personaler sind vor allem auf der Suche nach sogenannten „High Potentials“ und „High Performern“. Menschen, die sich durch ein besonders großes Potenzial und herausragende Leistungen auszeichnen. Entscheidend für den Arbeitserfolg und die Leistung von Menschen sind insbesondere Motivationslagen. In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften unterscheidet man vielerlei Motivationstypen, die sich in Art und Umfang von Buch zu Buch teilweise sehr unterscheiden. Für einige Menschen sind Geld und Anerkennung vordergründig, um etwas zu tun. Andere setzen auf Sicherheit, wieder andere sind neugierig und möchten Neues kennenlernen.

Besonders interessant sind für Unternehmen aber Menschen, die intrinsisch motiviert sind. Menschen, die sich einer Sache verschreiben und dafür brennen. Sie ziehen ihre Motivation aus der Liebe und der Leidenschaft für die Sache selbst.

Weshalb diese Menschen so wertvoll für den Erfolg sind

Menschen, die eine Sache vorantreiben möchten ohne dabei den persönlichen Nutzen in den Vordergrund zu stellen, sind aus unterschiedlichen Gründen besonders:

  • Sie sind Treiber und bringen etwas nach vorne.
  • In schwierigen Zeiten nehmen sie sich selbst zurück, um der Sache zu dienen.
  • Spaß an der Arbeit: Sie machen ihren Job gerne und schauen nicht ständig auf die Uhr.
  • Zahlen aus der Arbeitswelt machen deutlich: Intrinsisch motivierte Mitarbeiter sind weniger häufig arbeitsunfähig.
  • Die Mitarbeiterzufriedenheit ist bei solchen Menschen besonders hoch.
  • Intrinsisch motivierte Menschen führen ein selbstbestimmteres Leben, weil ihre Tätigkeit für sie nicht bloß Mittel zum Zweck ist.

Schön und gut, aber was hat das mit E-Sport zu tun?

Der elektronische Sport, also das wettbewerbsorientierte Spielen von Videogames, ist historisch aus intrinsischer Motivation heraus entstanden. Videospieler haben ehrenamtlich Turniere, Ligen und andere Wettbewerbe organisiert, ebenso LAN-Partys. Es sind Strukturen für die Kommunikation entstanden, ganz früh etwa das QuakeNet als Chatplattform. Auch haben Videospieler eigene Webseiten geschaffen, um Wettbewerbe auszutragen, beispielsweise die ClanBase oder die ESL. Es sind erste „Vereine“, damals (und auch noch heute) Clans genannt, entstanden. All dies aus der Leidenschaft der Videospieler heraus. Auf dieser Basis ist sogar bereits in den 1990er-Jahren eine Profiszene geschaffen worden.

Lange Zeit war diese Profiszene die Essenz des E-Sports, weil sie den Wettbewerb besonders stark vorgelebt hatte, bis sich ab Mitte der 2000er-Jahre nach und nach eine große Breitensportlandschaft gebildet hat. Eingetragene Vereine sind entstanden, die ESL hat mit der Amateur Series einen reinen, hoch anerkannten Breitensportwettbewerb ausgerufen und die Vernetzung des Breitensports wurde im Internet intensiviert.

Heute ist der Breitensport das Fundament des E-Sports. Einerseits, weil Amateure häufig zugleich Fans vom Profi-E-Sport sind und diesen durch In-Game-Käufe oder Eventbesuche finanzieren. Andererseits, weil sie durch ihre Leidenschaft das Thema in die Gesellschaft tragen. Ehrenamtliche und auf Gemeinnützigkeit ausgelegte Breitensportvereine (z.B. eSports Nord e.V.) erklären den E-Sport Politikern, Lehrern oder Eltern. Sie tragen das Thema in Schulen, Jugendringe und den traditionellen Sport. Sie begleiten Studienarbeiten und helfen bei der Forschung zum Thema. Sie schaffen mittels Vereinsheimen Sozialisierungspunkte für E-Sportler.

Ohne intrinsisch motivierte Menschen wäre der E-Sport, gerade in Deutschland, lange nicht da, wo er heute ist. Deutschland verfügt über eine bunte und vielschichtige Breitensportlandschaft im E-Sport (zur Übersicht vom eSport Rhein-Neckar).

Für E-Sport mag das stimmen: Was hat der Rest der Gesellschaft davon?

Der gesellschaftliche Nutzen ergibt sich zum einen daraus, dass Breiten-E-Sportler beispielsweise Maßnahmen zur Suchtprävention oder zur Vermittlung von Medienkompetenz anbieten. Darüber hinaus zeigen sie Synergieeffekte von traditionellem und elektronischem Sport auf. Man denke hier an Trainingsmethoden und Jahrzehnte der Erfahrung des klassischen Sports, die der E-Sport für sich nutzen kann. Im Umkehrschluss können Sportvereine mittels E-Sport die Digitalisierung vorantreiben, neue Konzepte zur Nachwuchsgewinnung erarbeiten und bestimmte Aspekte trainieren, etwa die Hand-Augen-Koordination oder das periphere Sehen.

Zum anderen sind diese Menschen für Unternehmen sehr interessant, die deshalb ihre Arbeitgebermarke entsprechend anpassen könnten. Eine intrinsische Motivation lässt sich aus dem E-Sport direkt in die Wirtschaft übertragen, wenn die Tätigkeitsfelder und Aufgaben passen. E-Sportler verfügen zumeist über ein hohes Maß an Technikaffinität, gleichzeitig auch über viel Know-How in diesem Bereich. Ganz davon ab, dass E-Sportler im Mittel im Vergleich zur Gesamtgesellschaft überdurchschnittliche Bildungsabschlüsse vorweisen können. Auch die harten Fakten machen sie zu einer interessanten Zielgruppe für Unternehmen.

Persönliche Erfahrungen und Fazit

An dieser Stelle seien mir ein paar persönliche Wort gestattet. Ich selbst bin Personaler in einem großen Unternehmen. Gleichzeitig engagiere ich mich im E-Sport. Angebote für Beteiligungen an Gesellschaften oder höhere Positionen, sogar auf nationaler Ebene, habe ich stets ausgeschlagen. Es geht mir um die Sache E-Sport.

Im Breitensport des E-Sports kenne ich viele Menschen, die so ticken. Als Personaler weiß ich, wie wertvoll diese Menschen für den Unternehmenserfolg sein können. Mir sind also beide Seiten bekannt. Daher halte ich es für wichtig, wenn nicht gar überfällig, dass vor allem IT-Unternehmen ihr Employer Branding überdenken. E-Sportler sind eine der wichtigsten Zielgruppen zur Personalbeschaffung in diesem Segment. Sie verbinden Leidenschaft mit Erfahrungen aus dem E-Sport und herausragenden Fähigkeiten sowie Fertigkeiten. Für diese „Digital Natives“ ergeben sich darüber hinaus viele weitere Einsatzgebiete, zum Beispiel im Marketing, dem Vertrieb oder der Kundenberatung.

Meine Prognose: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis endemische Unternehmen und auch solche, die nicht direkt zum E-Sport passen, flächendeckend die Chancen und den Nutzen des E-Sports für die Mitarbeitergewinnung erkennen. Alleine schon deshalb, weil E-Sport boomt und exponentiell wächst.

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Timo Schöber
Timo Schöberhttp://www.timoschoeber.com/
Timo Schöber ist Autor, Wissenschaftler und Hochschuldozent. Er ist Leiter der Denkfabrik Esportionary sowie als Berater unter anderem für Skillshot Consulting tätig. Er engagiert sich ehrenamtlich für den eSports Nord e.V.
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