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Timo Schöber berichtet in einer neuen Kolumne über seine Erfahrungen mit dem E-Sport im Norden Deutschlands. Auch aktuell tut sich wieder etwas – die Gründung des Schleswig-Holsteinischen E-Sport Verbandes (SHEV) wird konkreter.
Es tut sich etwas im Norden Deutschlands. Bereits seit Anfang des Jahres wird in Schleswig-Holstein über die Gründung des ersten deutschen Landesverbandes für E-Sport nachgedacht. Ich habe aufgrund meiner journalistischen und wissenschaftlichen Verpflichtung zur Neutralität in den entsprechenden Arbeitskreisen sehr früh deutlich gemacht, dass ich nicht für einen Vorstandsposten in so einem Verband zur Verfügung stehe.
Der Vorteil daran ist unter anderem, dass ich die unterschiedlichen Phasen bei der Konzeptionierung des Schleswig-Holsteinischen E-Sport Verbandes, kurz SHEV, mit einer gewissen Gelassenheit und ohne persönliche Befindlichkeiten begleiten konnte. Im Folgenden schildere ich meine Wahrnehmung des Ganzen.
Der Anfang
Zu Beginn des Jahres 2020 hat der Kieler Rechtsanwalt Dr. Oliver Daum unterschiedliche Personen und Organisationen kontaktiert, die sich in Schleswig-Holstein mit E-Sport beschäftigen. Hintergrund ist, dass es im nördlichsten Bundesland bereits eine offizielle E-Sport-Förderung gibt. Was fehlt ist ein Ansprechpartner für die Politik, der die Kräfte des E-Sports im Land zwischen den Meeren bündelt und kanalisiert. So hat sich um Dr. Oliver Daum ein kleiner Arbeitskreis gebildet, um dem E-Sport im Norden mehr Struktur geben zu können. Die Idee: Die Gründung eines Landesverbandes für E-Sport.
In dieser Anfangsphase haben Dr. Oliver Daum, Martin Freese und ich versucht, möglichst viele Interessierte am E-Sport in Schleswig-Holstein zu finden, zu kontaktieren und an die Idee einer Verbandsgründung heranzuführen. Wichtig waren uns hierbei vor allem die Punkte Authentizität, Transparenz und Dialog. Nichts wäre schlimmer für den E-Sport im Land, als ein intransparenter Verband, der egoistische Interessen forciert.
Einbindung weiterer Organisationen
Nach und nach sind weitere Personen und Organisationen in den Gründungsprozess einbezogen worden. Die Resonanz auf die Idee von Dr. Oliver Daum war durchaus positiv. Das Verständnis dafür, dass es einen Ansprechpartner für die Politik braucht, war auf fast allen Seiten von Vorneherein vorhanden. Nach der Startphase und des Anschmeißens des Motors, habe ich mich selbst aus dem Führungstrio zurückgezogen, die Entstehung des Verbandes aber weiter begleitet.
Die Beteiligung von Organisationen aus ganz unterschiedlichen Bereichen des E-Sports war schon zum damaligen Zeitpunkt sehr erfreulich. Es fanden sich E-Sport-Vereine, traditionelle Breitensportvereine, physische Einrichtungen, Unternehmen und Einzelpersonen in der Gruppe jener, die an der Verbandsgründung arbeiten wollten.
Über die nachfolgenden Monate hinweg kam es zwar zu Verzögerungen im Gründungsprozess, die allerdings nicht in Schleswig-Holstein begründet waren. Dennoch konnten immer mehr Interessierte für die Idee einer Verbandsgründung gewonnen werden.
19.12.2020: Die Informationsveranstaltung
Am gestrigen Samstag wurde dann eine mehrstündige Informationsveranstaltung zur Verbandsgründung via Zoom abgehalten. Durch die Präsentation führten Martin Freese, der 2. Vorsitzende des eSports Nord e.V. und Geschäftsführer einer Digitalagentur, und Dennis Bluhm, der Geschäftsführer einer der größten traditionellen Sportvereine aus Schleswig-Holstein, des Möllner Sportvereinigung von 1862 e.V.
Auch durch die Auswahl der Moderatoren wurde eines deutlich: E-Sport und traditioneller Sport beabsichtigen an vielen Stellen im Land zwischen den Meeren Hand in Hand zu gehen. Das ist ein Signal, das durchaus positiv zu werten ist.
Bei der Veranstaltung anwesend waren rund zwei Dutzend Vertreter unterschiedlicher Organisationen, darunter auch mehrere traditionelle Sportvereine. Redebeiträge und Diskussionen habe ich dabei überwiegend als sehr konstruktiv und sachdienlich wahrgenommen. Auch hier war man sich weitgehend einig: Es bedarf eines Verbandes.
Ausblick
Dass es zur Gründung eines SHEV kommen wird, halte ich nach dem gestrigen Tag für sehr wahrscheinlich. Wichtig sind dabei aus meiner Perspektive vier Faktoren:
- Der Verband muss transparent und offen agieren. Dabei müssen auch Personen und Organisationen Berücksichtigung finden, die nicht im Verband organisiert sind. Das gilt insbesondere für Anfragen zur Unterstützung und Hilfestellungen.
- Der SHEV darf kein Sportverband im klassischen Sinne sein. E-Sport funktioniert an vielen Stellen sehr anders als der traditionelle Sport. Das betrifft zum Beispiel seinen digitalen Charakter, aber auch viele Aspekte des ökonomischen Systems. Während im traditionellen Sport also zum Beispiel ein Spielbetrieb essentiell für Verbandsmitglieder sein könnte, ist dies für den E-Sport mitnichten der Fall. Gerade, weil E-Sport im Vergleich zum klassischen Sport jung ist und es vielerlei Engagierte und Organisationen gibt, die anders funktionieren, als Sportvereine.
- Die Führung des Verbandes muss von Personen wahrgenommen werden, die über eine umfassende und langjährige E-Sport-Expertise verfügen. Das ist vor allem wichtig im politischen Dialog. Nichts wäre schlimmer, als Halbwissen oder Fragen, die nicht umfassend beantwortet werden können.
- Vor allem der erste Vorsitzende, aber auch der zweite Vorsitzende sollten aus Schleswig-Holstein stammen und dort ihren Erstwohnsitz haben. Die Gründung von Landesverbänden soll unter anderem sicherstellen, dass regionale Gegebenheiten gekannt und berücksichtigt werden. Das geht nur mit Menschen, die das jeweilige Bundesland sehr gut kennen.
Ich hoffe, dass die konstruktive und sachbezogene Verfahrensweise im weiteren Gründungsprozess erhalten bleibt. Dann kann aus dem SHEV etwas sehr Gutes werden.