Inhaltsverzeichnis
Würde man Grimms Märchen jetzt neu schreiben, dann müsste uns die Großmutter vermutlich nicht vor dem bösen Wolf, sondern eher vor den wölfischen Ankündigungen der Marketing-Anbteilungen warnen. Ich weiß nicht, ob ihr es mitbekommen habt, aber wir befinden uns mittlerweile in der nächsten Generation der Video- und Computerspiele. Okay, also zumindest wurden neue Konsolen vorgestellt, es gibt auch einen Schwung neue Grafikkarten für die PC-Jünger – also zumindest sind diese gelistet.
Doch wenn die meisten Spieler in ihre Wohnzimmer schauen… wo sind die ganzen PS5 und Xbox Series X und die neuesten NVIDIA 30er Karten eigentlich? Manch ein früher Vogel hatte Glück, tatsächlich hat er eine der sogenannten Next Gen-Konsolen bekommen. Doch wo bleiben eigentlich die fetten großen Spiele für die tolle neue Konsole?
Nicht lieferbar
Xbox Series X und Playstation 5 bestellen? Ein Trauerspiel ist dieser Start in die neue Generation, denn es ist für den normalen Durchschnittsspieler quasi nicht möglich an ein neues Gerät zu kommen, ohne Mondpreise zahlen zu müssen. Man fragt sich, ob die neue Generation angesichts der aktuellen Lage überhaupt hätte ausgerufen werden sollen, wenn der Nachschub doch offensichtlich noch gar nicht gesichert ist. Oder war die erste Welle an Geräten nicht mehr als eine Anschubfinanzierung, um das Verlustgeschäft „Hardware“ überhaupt tragen zu können? Wie wir wissen, sind es nicht die Konsolen, an denen die großen Unternehmen verdienen. Ist ja auch logisch, wie will man sonst aktuelle Grafikchips, die 120 FPS @ 4K um sich schmeißen in ein Gerät weit unter 1000 Euro bekommen – wenn allein die Grafikkarte aus dem Hause NVIDIA beispielsweise mehr kostet. Sony und Co. gehen mit ihren Konsolen erstmal in die Vorleistung.
Aber das ist ja auch nicht schlimm, immerhin holt man sich das Geld ja später über die Spiele wieder rein… Autsch, da kommen wir zum nächsten Punkt: Wo sind sie eigentlich, die vielen Next Gen-Games, für die sich die neuen Konsolen überhaupt lohnen.
Euphorisches Marketing
Wenn wir an den Cyberpunk 2077 zurückdenken, ach was gab es doch für einen Aufruhr! Das Marketing hat uns mit Versprechungen angefüttert, am Ende konnte das Produkt zum Releasetag aber einfach nicht genug bieten – es war noch nicht fertig. Noch nicht fertig? Wäre man bösartig könnte man eine Parallele zu den Next Gen-Konsolen ziehen.
Niemand hat mit der Corona-Pandemie rechnen können, das hat sicherlich manch eine Produktionskette erheblich verzögert. Allerdings, wie kurzfristig wird die Teilebeschaffung eigentlich organisiert? Sollte man nicht erstmal genug Teig haben, bevor man 1000 Brötchen anbietet? Wer daran nun letztlich die Schuld trägt, wissen wir auch nicht. Letztlich bleibt der Start der Next Gen aber vor allem eines: sehr ernüchternd.
Früher Tod der alten Generation
Wozu haben die großen Versprechungen und Launches denn geführt? Die alte Generation wurde zu Grabe getragen. Das ist eigentlich ziemlich schade, denn wenn man sich die aktuellen Games mal anschaut: die laufen alle prima auf PS4 Pro und Co. 120 FPS @ 4K sind tolle Zahlen – die sagen aber auch nicht über den Spielspaß aus, oder? Warum ist denn gerade diese Indie-Welle so am Abreißen? Warum sind Spiele wie Valheim, Fall Guys und Among Us so erfolgreich? Das liegt doch klar an tollen Konzepten von wirklich guten Spielen – brauche ich dafür eine PS5 oder eine Xbox Series X, was ist mit einer 30er Raytracing-fähigen Grafikkarte? Nein, eher nicht. Doch leider führt der frühe Tod zu einem künstlichen Anstieg der Preise für Altgeräte. Eine PS4 Pro kostet in der Regel über 400 Euro – viel zu viel.
Nintendo macht es richtig
Ein wirklicher Gewinner in diesem ganzen Next Gen-Marketingkrieg ist eigentlich nur ein Unternehmen: Nintendo. Die machen es richtig, sie lassen sich nicht mitreißen von dem großen Hypetrain. Die Nintendo Switch Pro? Bis heute Gerede aus der Presse. Die Switch beweist, dass es nicht auf pure Hardwareleistung ankommt, es geht vielmehr um die Inhalte: also richtig gute Spiel. Und da kamen in den letzten Monaten doch wirklich einige heraus, auch einige exklusive Titel.
Gerade während der Pandemie lenken die Menschen sich gerne mit Games ab, brauchen einen Ausgleich, außerdem ist das Geld eher etwas knapp. Wenn man da eine Nintendo Switch Lite für 199 Euro bekommt, ist das doch ideal. Man könnte also eine 4-köpfige Familie komplett mit Nintendo Switches ausstatten zum Preis einer Next Gen-Konsole, oder aber man kauft die große Switch und ein paar Spiele und Controller oder noch einen Fernseher dazu.
Allerdings kommt Nintendo angesichts der Verfehlung von Sony und Microsoft auch ins Schwitzen, mit so einem Andrang hat man sicherlich nicht gerechnet. Auch hier kommt es zu Lieferengpässen von Zeit zu Zeit. Diese bekam man allerdings jedes Mal ziemlich zügig in den Griff.
Also: Was bringt mir die beste Highend-Grafikpower, wenn sie einfach nur auf dem Papier existiert?
Mining statt Gaming
Aber stimmt das? Gibt es wirklich zu wenig Chips? Im Falle von NVIDIA hat man sich noch ein anderes Problem angelacht: Die Grafikkarte ist einfach zu gut fürs Gaming – das hat ein ganz anderes Publikum angelockt. Bitcoin Miner haben in den aktuellen Karten ihre neue Diamant-Spitzhacke gefunden und graben sich damit nun unerbittlich bis zum Bedrock.
Zehntausende Karten kamen nicht in die Hände von Gamern, mit dieser Hardware lassen sich nämlich nicht nur bunte Bilder berechnen (120FPS@4K), man kann damit buchstäblich nach Geld (in Form von Bitcoins) schürfen. Mittlerweile auch ganz offiziell und gewerblich. Unternehmen wie Hut 8 betreiben das neue Next Gen-Bitcoin-Game, dafür hat man sich mit 46000 NVIDIA-Grafikkarten eingedeckt und schaufelt damit einen Umsatz in 6-stelliger Höhe.
Xbox Series S geplanter Notnagel?
Microsoft scheint übrigens eine gewisse Vorahnung gehabt zu haben – dafür Lob und Anerkennung – sie bieten da nämlich neben der Xbox Series X ja noch ein anderes Modell an: die Xbox Series S. Auch diese ist regelmäßig ausverkauft, aber kommt bislang immer mal wieder zurück. Hat Microsoft den Engpass kommen sehen? Ist die Xbox Series S (die man quasi zum Preis einer Nintendo Switch bekommt) der Puffer, um die Spieler bei Laune zu halten? Bislang dachten wir immer, es sei das Einstiegsgerät in die Next Gen, mittlerweile könnte man eher denken, es sein ein geplanter Notnagel. Wie ein Ass im Ärmel zieht es Phil Spencer buchstäblich aus dem Regal.
Trauriges Fazit
Was bei all diesen Überlegungen bleibt, ist ein Gefühl der Enttäuschung. Die Next Gen existiert, sie kommt auch – aber nicht jetzt, sondern eher morgen. Wir müssen also noch ein bisschen warten und geduldig sein. Das Marketing hat einen Sprint eingelegt und wiedermal vergessen, auf die Produktion zu achten. Es ist wirklich unangenehm, dass dies immer auf unseren Schultern geschieht und wir uns wieder haben täuschen lassen. Das nächste Mal warten wir auf jeden Fall ein bisschen länger mit der Vorfreude, manche Versprechen gehören eben ins Reich der Märchen.