Am 12. September ist das Rollenspiel-Abenteuer Roadwarden vom polnischen Moral Anxiety Studio nach vier Jahren endlich erschienen. Mit seiner stark reduzierten Grafik hebt es sich stark von anderen Genre-Titeln ab. Nur wenige, achtfarbige Pixelbilder zeigen die einzelnen Szenen, der Rest geschieht ausschließlich über Text. Auch wenn das RPG mehr an eine Visual Novel anmutet, steckt hinter der nostalgischen Hülle ein komplexes Spielsystem. Es ist das bisher ambitionierteste und größte Projekt des Studios, welches fest nur aus dem Solo-Entwickler Maciej „Aureus“ Gajzlerowicz besteht, welcher der kreative Kopf der Spiele (Roadwarden, Tales From Windy Meadow) ist.
Wir haben Roadwarden für euch gespielt und wollten wissen, wie sich das ungewöhnliche Rollenspiel schlägt. Auf Steam könnt ihr übrigens auch selbst in eine Demo-Version reinschauen, die euch ein paar Stunden beschäftigt hält. Das Spiel selbst erhaltet ihr kurz nach dem Release noch reduziert, der Vollpreis liegt bei 10,99 Euro. Das Spiel ist komplett auf Englisch, je nach Sprachkenntnis werdet ihr hier und da mal ein paar der teils altertümlichen Worte nachschlagen müssen. Die Spielzeit hängt sehr von eurer Lesegeschwindigkeit ab, der Entwickler gibt aber als Dauer bis zu 30 Stunden an – der erste Durchlauf dürfte auch schneller möglich sein. Wer aber alle Steine umdrehen will oder andere Charakter-Builds ausprobieren möchte, der kann sicherlich etliche Stunden in das Spiel eintauchen.
Darum geht es in Roadwarden
Roadwarden entführt euch in die düstere Fantasy-Welt „Viaticum“. Eine Welt, die schon seit zehn Jahren unter der Feder von Entwickler Aureus entsteht und ebenfalls Setting der bisherigen Moral Anxiety Studio-Spiele ist. In diesem neuesten Titel spielt ihr einen Roadwarden, einen Wächter der Straße. Er wurde von der Händlergilde aus der Stadt Hovlavan auf die geheimnisvolle Halbinsel geschickt, die er in 40 Tagen erkunden soll. Er soll herausfinden, wie viel Profit dort zu machen ist. Außerdem soll er nach dem bisherigen Roadwarden Namens Asterion Ausschau halten, der schon lange nicht mehr gesichtet worden ist. Schnell wird klar, dass dies kein einfaches Unterfangen sein wird. Das Land wird heimgesucht von einer gefährlichen Plage, die Bestien haben sich gegen die Menschen erhoben und die wenigen verbliebenen Einwohner sind im ständigen Überlebenskampf. Sie verschanzen sich in kleinen Siedlungen und Festungen, die Wege sind unsicher und es liegt üble Magie in der Luft. Die Toten erheben sich, wenn der Nebel ihre toten Körper streift. Nachts wandeln sie umher und versuchen den Menschen ihre magische Energie (Pneuma) zu entreißen.
„Jeder weiß, dass man sich von der Wildnis fernhalten sollte.
Die meisten Menschen würden niemals eine einsame Reise riskieren.
—
Ein Roadwarden akzeptiert diesen Kampf nicht nur, er begrüßt ihn sogar.
Er überbringt Nachrichten, hilft Händlern, verbrennt menschliche Leichen,
und verscheucht, wenn möglich, die Bestien und Wegelagerer.
—
Er lebt auf der Straße, stirbt jung oder setzt sich früh zur Ruhe.
—
Es ist ein gefährlicher Job, aber ein respektabler.
Und er wird gut bezahlt.“
Viele Informationen bekommt ihr zu Anfang nicht an die Hand. Ihr werdet also selbst auf Entdeckungsreise gehen müssen, um mehr über das Land in Erfahrung zu bringen. Zum Glück steht euch dafür euer treues Reitpferd zur Seite. Ihr bewegt euch abschnittsweise durch die Spielwelt, reist von Wegpunkt zu Wegpunkt und untersucht die Umgebung. Dabei trefft ihr auf viele Charaktere, denen ihr auf eure eigene Art begegnen könnt. Durch das Auswählen verschiedener Antwortmöglichkeiten entscheidet ihr, wie das Gespräch verläuft und gewinnt Freunde oder macht euch Feinde. Ihr habt die Wahl und könnt jeweils eure Gesinnung wählen und freundlich, humorvoll, distanziert, einschüchternd oder verletzlich erscheinen. Es gibt verschiedene Interessengruppen auf der Halbinsel, also sollte man stets vorsichtig sein, wem man welche Information gibt.
Roadwarden Trailer:
Am Anfang werdet ihr an bestimmten Stellen vor Entscheidungen gestellt, die euren Charakter formen. So könnt ihr als Magier, Krieger oder Gelehrter auftreten. Jede Klasse hat ihre eigenen Vorteile und Schwächen. Roadwarden fokussiert sich vor allem auf das Rollenspiel, leichtes Ressourcenmanagement und eher weniger Kämpfe. Einige Auswahloptionen werden „ausgewürfelt“ und der Ausgang eurer Aktionen ist abhängig von euren Werten, die ihr auf eurem Charakterbogen auslesen könnt. Eure vier wichtigsten Zustandswerte bekommt ihr jederzeit angezeigt: Vitalität, Nahrung, Rüstung und Erscheinungsbild. Eure Handlungen wirken sich darauf aus, so könnt ihr im Kampf Gesundheit verlieren, bekommt Hunger und müsst Kleidung und Rüstung instand setzen und pflegen.
Da ihr nur eine begrenzte Zeit auf der Halbinsel verweilt, müsst ihr auch einen Blick auf den Tagesablauf werfen. Nachts solltet ihr euch einen Unterschlupf suchen, denn dann kommen die Bestien aus dem Wald. Jede Reise nimmt Zeit in Anspruch. Dabei bleibt Roadwarden in einem schnellen Fluss, es gibt keine langwierigen Sequenzen oder Grind-Passagen. Mit nur einem Klick wechselt ihr sofort zur nächsten Szene.
Fazit
Roadwarden entfaltet eine ganz eigene Magie. Auf den ersten Blick scheint es ein sehr simples Game zu sein. Liest man sich aber nach und nach durch die Geschichte, merkt man, wie komplex die einzelnen Spielsysteme sind. Das Ganze erinnert ein wenig an die alten Spielbücher (Choose Your Own Adventure), die man vielleicht noch von früher kennt. Der grafische Stil ist simpel, aber stimmungsvoll. Es gibt nur wenige Animationen und es wird gerade das wichtigste gezeigt, um ein Gespür für die Szene zu bekommen. Der Rest findet im Kopf statt. Das Spiel wird von einem stimmungsvollen Soundtrack und Soundkulissen untermalt.
Der Entwickler schafft es, die Welt über den Text vor dem inneren Auge erscheinen zu lassen. Die Charaktere sind spannend und füllen euer Journal nach und nach mit Geschichten. Dies ist übrigens ein tolles Tool, um jederzeit nachschlagen zu können, was ihr bereits erfahren habt. Besonders gefallen hat uns die große Ungewissheit, mit der man in die Spielwelt eintaucht. Am Anfang weiß man eigentlich nichts und muss sich langsam vorantasten.
Die Navigation ist sehr schnell und zielführend. Manchmal verschachtelt man sich an einem Ort aber ein wenig und muss dann erst einmal zusehen, wie man wieder auf den Hauptweg kommt. Dies ist uns an einer Stelle unter bestimmten Voraussetzungen aufgefallen – aber nicht die Regel. Praktisch ist es, dass ihr jederzeit speichern könnt. Es gibt dafür etliche Spielstände, die ihr über das Menü beschreiben und laden könnt, oder ihr nutzt einfach die Quicksave-Funktion.
Ein Feature hat uns besonders überrascht. So sind wir auf unserer Reise plötzlich vom Spiel mit einem Parser überrascht worden. Dieses Relikt aus alten Textadventure-Tagen lässt euch Handlungen via Texteingabe ausführen, statt eine Auswahl an vorherbestimmten Aktionen angezeigt zu bekommen. Dies zeigt auf jeden Fall, wo die Wurzeln von Roadwarden liegen und ist eine charmante, nostalgische Anspielung des Entwicklers.
Ihr könnt euch relativ eigenständig durch die Welt bewegen und entscheidet selbst, welche Quests ihr annehmt und welche ihr links liegen lasst. Für manche habt ihr auch nur eine gewisse Zeit. Ihr könnt euer Abenteuer so formen, wie ihr wollt und es beim nächsten Anlauf vielleicht vollkommen anders versuchen. Dies ist auf jeden Fall eine Motivation, das Spiel irgendwann noch einmal zu spielen.
Wer gerne mal etwas Neues ausprobieren möchte oder bereits ein Faible für textbasierte Spiele hat, der wird mit Roadwarden sicherlich seine Freude haben. Das Spiel ist definitiv nichts für jeden, wer sich allerdings darauf einlässt, erhält ein spannendes Abenteuer, welches für kleines Geld viele Stunden Spielspaß bietet.
Auf Steam gibt es bereits viele sehr positive Bewertungen, denen wir uns gerne anschließen wollen. Probiert das Spiel einfach mal aus, die Demo ist ja kostenlos. [Hinweis: Ihr könnt eure Savegames aus der Demo übrigens in Vollversion übernehmen, wenn ihr das Spiel kauf. Schaut dazu einfach in eure Steam-Bibliothek auf der Festplatte und kopiert den „Save“-Ordner entsprechend.]
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